Alternativen zu 2020 |
Dienstag, 27. August 2013
Briefwechsel mit dem Kardinal
moderator, 16:23h
Pfarrer Dr. Ernst Pulsfort (St. Laurentius, Moabit) und Pfarrer Prof. Dr. Michael Höhle (Heilige Familie, Prenzlauer Berg)kündigten dem Kardinal am 25. März 2013 an, dass sie alle Geistlichen des Bistums in einem Brief auffordern, gemeinsam über Alternativen zum Pastoralplan 2020 „Wo Glauben Raum gewinnt“ nachzudenken.
Der Kardinal hat in einem Antwortschreiben vom 28. März 2013 reagiert. Den Briefwechsel ließ er an Ostern auf der Webseite des Erzbistums veröffentlichen. Das Gespräch fand am 11. April 2013 in guter Atmosphäre statt. Berlin, den 25. März 2013 Pastoralplan 2020 Sehr geehrter Herr Kardinal, beiliegend übersenden wir Ihnen zur Information vorab einen Brief an alle Priester und Diakone im Erzbistum Berlin betreffs der Diskussion einer Alternative zum Pastoralplan 2020. Wir werden diesen Brief nach dem Osterfest versenden. Wir hoffen, dass eine offene und ausgeglichene Diskussion dadurch möglich wird. Mit herzlichen Grüßen Ihre Prof. Dr. Michael Höhle Dr. Ernst Pulsfort Anlage 28. März 2013 An alle Priester und Diakone im Erzbistum Berlin Pastoralplan „Wo Glauben Raum gewinnt“ - Alternativen Liebe Mitbrüder, die Ankündigung der pastoralen Umwälzungen in unserem Erzbistum, nämlich die Zahl der Pfarreien bis zum Jahr 2020 auf 30 zu reduzieren, hat in den Gemeinden und auch unter uns sowie den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu unterschiedlichen Reaktionen geführt: von Fragen, Abwarten, Schock, Angst, Resignation bis hin zum Protest. Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, lehnen den Pastoralplan in dieser Form aus folgenden Gründen ab: 1. Die Priester und Gemeinden sind an der Entwicklung des Plans nicht beteiligt worden; sie werden nur an der Umsetzung beteiligt. 2. Die neuen Großpfarreien bringen Personengruppen und Regionen zusammen, die traditionell und milieumäßig keinen oder kaum Kontakt miteinander haben; sie werden unüberschaubar, eben keine pastoralen Räume. 3. Die Fusionen bedeuten einen erneuten Abbau der Gemeinden, die ihre Entscheidungs-gremien, Ansprechpartner und sicher viele engagierte Menschen zugunsten von Zentralisierungen verlieren werden. Die zu erwartende Streichung von Gottesdiensten wird vielen Gläubigen die Möglichkeit nehmen, die Eucharistie mitzufeiern. Der neue, in diesem Ausmaß nie da gewesene Fusionsprozess ist vor allem verursacht durch die sinkende Zahl der Priester im Erzbistum. Man darf konsequenterweise fragen, wie die Situation aussehen wird, wenn im Jahr 2040 erneut umstrukturiert werden muss. Wird dann der letzte Priester der Diözese zugleich ihr Bischof sein? Da unter den gegenwärtigen Umständen und erst recht nach großräumigen Gemeinde¬fusionen nicht mit verstärktem Priesternachwuchs zu rechnen ist, gibt es nur zwei Zukunftsperspektiven: Die erste sieht so aus, dass wir eine Kirche (fast) ohne Priester sein werden. Auch die Anstellung ausländischer Priester kann dem Mangel nicht grundlegend abhelfen. Weil aber Priester fehlen, so sieht es der Plan des Erzbistums faktisch vor, werden die Gemeinden „geopfert“, d. h. durch immer weitere Fusionen abgebaut. Die zweite Perspektive kann nur bei einer ernsthaften Diskussion der viri- probati- Problematik eine Chance haben. Wir ermutigen und bitten unseren Erzbischof und die deutschen Bischöfe, nicht wie bisher über diese Alternative hinwegzusehen, sondern sie ernsthaft zu diskutieren und mit den Gläubigen darüber in einen Dialog zu treten. Unter Priestern und Laien ist dieses Thema schon seit Jahrzehnten kein Tabu. Wir sind der Auffassung, dass das vom Zweiten Vaticanum in Erinnerung gerufene allgemeine Priestertum aller Gläubigen bedeutet, dass die Gläubigen – Kleriker und Laien – hier zu einer gemeinsamen Antwort auf das Problem des Priestermangels kommen können. Es geht um die Kirche, d. h. um das Volk Gottes, in deren Dienst Papst, Bischöfe und Priester stehen. Die Hirten sind Diener der Herde, nicht umgekehrt. Wir lehnen in keiner Weise die zölibatäre Lebensform ab, aber wir plädieren dafür, dass die Berufung zur Ehelosigkeit und zum Priestertum nicht als naturgemäße Einheit betrachtet wird. Wir sind der Meinung, dass es keine Alternative zur Diskussion dieses Themas gibt. Andernfalls gibt es nur die Fusionsrealität bis 2020 und zwangsläufig weitere Folgefusionen. Dass die Kirche, zumindest in unserem Land, auf diese Weise an ihr Ende kommt, ist wohl zweifelsfrei. Solange die bisherigen Zulassungsbedingungen zum priesterlichen Dienst gelten, sollte nach unserer Auffassung alles getan werden, die Gemeinden in ihrer Selbstverantwortung zu stärken. Sie sollten nur dann fusioniert werden, wenn sie zu klein sind und Grund¬vollzüge des kirchlichen Lebens ausfallen. Der Bischof darf, wenn er keinen Pfarrer bestimmen kann, nach can. 517 § 2 (CIC) einen Diakon oder einen Laien mit weit¬gehenden Seelsorgsaufgaben betrauen; ein Priester in Reichweite erhält Vollmachten eines Pfarradministrators. Dies ist sicher nur eine Notlösung – sie ermöglicht aber, dass unsere Gemeinden nicht schrittweise von oben her zugunsten immer größerer Einheiten abgebaut werden. Wir regen an, viel stärker als bisher junge Menschen für kirchliche Berufe – etwa als Gemeindereferent(in) oder Diakon – zu werben und in unseren Gemeinden Laien zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen, anstatt die Gemeinden nach der geringen Priesterzahl zurechtzuschneiden. Teilen Sie uns bitte mit, wie Sie darüber denken. Es ist sinnvoll, dass wir diese Fragen offen miteinander diskutieren, z. B. auf einem gemeinsamen Tag in einer unserer Pfarreien. Wir haben dieses Schreiben vor dem Versenden dem Erzbischof zugeschickt. Ihre Rückmeldung richten Sie bitte an: Pfarrer Dr. Ernst Pulsfort Novalisstr. 8, 10115 Berlin e-mail: kontakt@laurentius-berlin.de Fax: 030 707 12 756 Nach Eingang werden wir einen Terminvorschlag mit Tagesordnung unterbreiten. Herzliche Grüße Ihre Ernst Pulsfort Michael Höhle Antwortschreiben unseres Kardinals: 28. März 2013 Sehr geehrter Herr Pfarrer Pulsfort, sehr geehrter Herr Pfarrer Höhle, mit Verwunderung und Befremden habe ich Ihr Vorhaben zur Kenntnis genommen – offenbar an mir und der zuständigen Stabsstelle vorbei – in einem eigenen Verfahren „Alternativen“ zum Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ zu entwickeln. Ich bin vor allem deshalb darüber verwundert, weil ich diesen Weg für das mir anvertraute Erzbistum mit einer ausdrücklichen Einladung zum Gespräch miteinander begonnen habe. Sehr deutlich ist dies in den sog. Auftaktveranstaltungen zum Ausdruck gekommen, bei denen ja sehr lebhaft und auch kontrovers diskutiert wurde. Alle dort benannten Ängste, Fragen und Bedenken sind dokumentiert, und damit sind sie ebenso Gegenstand des Prozesses wie die dort benannten Hoffnungen und Visionen. Sie hoffen in Ihrem Schreiben auf eine „offene und ausgeglichene Diskussion“. Nichts anderes will der Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ ermöglichen und zwar auf allen Ebenen. Weshalb Sie einen neuen und anderen Weg wählen, ist für mich deshalb nicht nachvollziehbar. Ich bleibe bei dem, was ich schon zu Beginn unseres Weges im Erzbistum gesagt habe: Wir müssen miteinander sprechen und nicht übereinander. So hat es u.a. inzwischen mehr als 40 über die Auftaktveranstaltungen hinaus gehende weitere Veranstaltungen zu dem Weg „Wo Glauben Raum gewinnt“ gegeben, 40 weitere sind fest geplant. Sie informieren über die grundlegenden Überlegungen dieses Prozesses und lassen Raum für Fragen, Ängste, Wünsche und Ideen, darunter auch die in Ihrem Brief genannten. Ich habe mir natürlich auch berichten lassen - und erfahre es auch bei meinen Besuchen vor Ort -, dass gelegentlich nicht überall unsere Sicht der Dinge geteilt wird. Alles das wird in die Entwicklung jener sog. Pastoralen Leitlinien einfließen, die zum Sommer 2013 hin erarbeitet werden sollen. Manche drängen schon jetzt auf die Festlegung und Bildung von pastoralen Räumen. Aber es ist ausdrücklich vorgesehen, das weitere Vorgehen gemeinsam zu erarbeiten. Es gibt keinen festen Plan in der Schublade. Im Gegenteil: Ich habe in meinem Hirtenwort zum Advent 2012 eine Jede und einen Jeden aufgefordert und eingeladen, „seine Talente und Fähigkeiten einzubringen, damit dieser Weg getragen ist von wechselseitigem Zuhören, von gegenseitigem Verständnis, von geschwisterlicher Zusammenarbeit“. Damit sind gerade auch die von Ihnen angesprochenen Laien mit in diesen Prozess einbezogen. „Wo Glaube Raum gewinnt“, will ein geistlicher Prozess sein, in dem es darum geht, Menschen mit Christus in Berührung zu bringen, und zwar unter den gegenwärtigen Bedingungen von Kirche und Gesellschaft. An dessen Ende werden dann hoffentlich unter dem Dach von ca. 30 Pfarreien eine Vielzahl lebendiger Gemeinden, Gemeinschaften und Orte kirchlichen Lebens existieren, die dieser unser apostolischen Sendung gerecht werden. Ausdrücklich handelt es sich damit nicht um einen Sparprozess oder einen vorgefertigten Plan, auch wenn Sie mir dies offenbar nicht glauben. Im Gegenteil: Wir werden sogar Geld in die Hand nehmen, um Sie als Seelsorger und die Gremien – etwa von Verwaltungsarbeit – zu entlasten. Hier können – wie dies die Erfahrung in anderen Diözesen zeigt – größere Einheiten ganz einfach von Vorteil sein. Die zentralen Fragen unseres Prozesses lauten deshalb: - Wie schaffen wir es in einer veränderten gesellschaftlichen und kirchlichen Situation, Menschen mit Jesus in Berührung zu bringen? - Wie erreichen wir diejenigen, die Gott nicht kennen? Wie kann unsere pastorale Arbeit unter den gegenwärtigen Bedingungen neue Früchte tragen? - Welchen Mehrwert können wir durch Vernetzung, Dialog und lebendige Gemeinschaft erreichen? Im Erzbistum Berlin sind unterschiedlichste Personengruppen und Milieus, Traditionen und Regionen eng beieinander. Wenn sich diese unterschiedlichen Gruppen durch den angestrebten Glaubensweg, den wir miteinander beschreiten wollen, einander annähern, wird dies zu einer Verlebendigung unserer Seelsorge und des geistlichen Lebens in unserem Erzbistum beitragen. Nicht zuletzt deshalb habe ich von Beginn an immer wieder hervorgehoben, dass zunächst jeder sog. Pastorale Raum bzw. später jede Pfarrei ein pastorales Konzept vor Ort zu erarbeiten haben wird. Das ein solches in der Innenstadt Berlin anders auszusehen hat als im sog. Speckgürtel bzw. als das auf Rügen oder in der weiten Fläche Brandenburgs, ist wohl eher selbstverständlich. Hier sind unsere Christgläubigen aufgrund ihrer Teilhabe am gemeinsamen Priestertum Jesu Christi mit ihren Seelsorgern gefragt. Gerade der letztere Gedanke von der Bedeutung des „gemeinsamen Priestertums“ erscheint mir doch sehr viel zielführender als die von Ihnen erneut aufgeworfene, alte Frage nach den sog. viri probati. Das II. Vatikanische Konzil hat ausdrücklich die Teilhabe an der apostolischen Sendung der ganzen Kirche herausgestellt und sich gegen eine erneute oder gar weitergehende Klerikalisierung ausgesprochen. Es ist an uns Priestern, das Bewusstsein für dieses gemeinsame Priestertum aller Gläubigen zu stärken und sie zu ermutigen, damit ernst zu machen. Es ist auch an uns, die Frage nach geistlichen Berufungen nicht einfach mit Verweis auf strukturelle Rahmenbedingungen resigniert abzutun, sondern dafür zu werben, junge Menschen daraufhin anzusprechen und sie aufmerksam zu machen auf Gottes Ruf. Und nicht zuletzt ist es auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in unseren Gemeinden um geistliche Berufungen gebetet wird. Zudem weisen Sie in Ihrem Schreiben selbst darauf hin, dass die Frage nach der Zulassung von viri probati zur Priesterweihe kein Thema ist, das ich einfach für unser Erzbistum entscheiden könnte. Wir sollten uns deshalb nicht irgendwelchen persönlichen Tagträumen hingeben, sondern uns zunächst einmal der Realität stellen. Was ich Ihnen hier geschrieben habe, hätte ich auch gern mit Ihnen direkt besprochen. Leider muss ich Ihnen aber am Gründonnerstag, dem Tag, an dem der Herr das Priestertum und die hl. Eucharistie gestiftet hat – und wo wir als Priester eigentlich etwas anderes zu tun hätten - auch deshalb schreiben, um Ihnen deutlich zu sagen, dass ich das von Ihnen beabsichtigte Verfahren ausdrücklich missbillige. „Es ist sinnvoll, dass wir diese Fragen offen miteinander diskutieren“, schreiben Sie. Es ist aber sinnlos, wenn Sie mich als Ihren Bischof lediglich lakonisch davon in Kenntnis setzen, dass Sie einen eigenen Weg an mir vorbei ins Leben rufen wollen. Nicht zuletzt als Mitglieder des Priesterrates hätten Sie ja über ausreichend Gelegenheit verfügt, solche Themenstellungen anzusprechen. Ich fordere Sie jedenfalls hiermit eindringlich auf, Ihren Brief erst zu versenden, nachdem wir am Donnerstag, dem 11. April 2013 um 09.00 Uhr in meinem Büro, ein hoffentlich klärendes Gespräch über Ihr Schreiben führen konnten. Dazu lade ich Sie hiermit ein. Mit den besten Segenswünschen für ein gnadenreiches und gesegnetes Osterfest Ihr Reiner Maria Kardinal Woelki Anmerkung der Redaktion: Pfarrer Höhle und Pfarrer Pulsfort haben unabhängig voneinander dem Kardinal bereits vor Monaten und Wochen ihre Einwände dargelegt. Eine persönliche Antwort darauf gab es nicht. ... comment |
Online seit 4108 Tagen
Letzte Aktualisierung: 2013.08.27, 16:37 status
Menu
Suche
Kalender
Letzte Aktualisierungen
KNA: Kritiker der Strukturreform...
Erzbistum Berlin: Kritiker der Strukturreform für... by moderator (2013.08.27, 16:37) September 2013 - Die...
Nicht ernst gemeint… Im Adventshirtenbrief unseres... by moderator (2013.08.27, 16:33) Pfarrversammlung in St....
Auf der ersten Pfarrversammlung im Januar 2013 nach... by moderator (2013.08.27, 16:31) Theologischer Gemeindetag...
Theologischer Gemeindetag in St. Laurentius mit Prof.... by moderator (2013.08.27, 16:29) Briefwechsel mit dem...
Pfarrer Dr. Ernst Pulsfort (St. Laurentius, Moabit)... by moderator (2013.08.27, 16:23) |